TelefonSeelsorge Duisburg Mülheim Oberhausen


Verletzlichkeit als Herausforderung begreifen

Die IFOTES-Tagung ist alle drei Jahre ein wichtiges Datum im Kalender der Mitarbeitenden in der TelefonSeelsorge. Diese internationale Tagung gibt immer wieder Gelegenheit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die  Anrufende in die TelefonSeelsorge führt und das mit KollegInnen aus ganz Europa.

Die Tagung 2013 fand nun im Juli in Göteborg statt. Die Fachvorträge waren  mehrheitlich auf fachlich hohem Niveau, sehr wirksam, Horizonte zu erweitern.

Das Schwerpunktthema: Verletzlichkeit

 

Der Schlusstag beeindruckte mit  einem ganz besonderen Höhepunkt.

Zum Thema „Verletzlichkeit als Herausforderung begreifen“ wurde ein Videointerview mit Philippe Pozzo di Borgo gezeigt. Philippe Pozzo di Borgo ist der Mann, dessen Schicksal als Körperberhinderter die Vorlage für den Film „Ziemlich beste Freunde“ liefert.

800 Teilnehmende der Tagung hörten zu, darunter 34 aus der Duisburger Stelle. Alle lauschten gebannt den Worten dieses weisen, in sich ruhenden Mannes, dessen Kernaussagen unten aus dem Gedächtnis wieder gegeben sind.

Es sind wohl unsere Wunden, die uns berührbar, mitfühlend und demütig machen. Sie erst verleihen uns eine zweite Integrität, zu der auch gehören: Verzeihen können, Vertrauen wagen, bereit sein, sich formen zu lassen.

 

Der Weg aus der Einsamkeit heraus

Worte einer der Hauptfiguren des Films „Ziemlich beste Freunde“

„Als ich 1993 als reicher Großindustrieller nach einem Unfall querschnittsgelähmt wurde, war das nicht die wirkliche Behinderung für mich. Die wirkliche Behinderung erlebte ich, als meine geliebte Frau Beatrice drei Jahre später ihrem Krebsleiden erlag. Da spürte ich eine abgrundtiefe Einsamkeit.

Wie ich aus der Einsamkeit herauskam? Drei Schritte wurden wichtig. Zunächst mußte ich zur Ruhe kommen, in die Stille gehen. In dieser Stille erst konnte ich mich wiederfinden und konnte ich den anderen Menschen wiederfinden. Als Zweites spürte ich dann, dass ich als verletzlicher und angewiesener Mensch als Bezugsraum nur die Gegenwart habe. Das Hier und Jetzt wurde mir kostbar. Als Drittes wurde mir bewußt, dass ich abhänge von anderen Menschen, dass ich sie brauche. Ich musste mein altes Bild von  mir als Mittelpunkt der Welt verlassen, ich musste mich dezentrieren, um mich neu als Teil der Menschheit zu erleben und um den anderen neu wertschätzen zu können.

Ja, ich glaube, erst unsere eigene Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit lassen uns die Abhängigkeit, das Angewiesensein auf andere akzeptieren. Diese Einsicht braucht Demut. Der Weg dazu geht durch die Stille.“

 Philippe POZZO DI BORGO

in einem Video-Interview 2013